Neue Hoffnung im Kampf gegen Superbakterien: Völlig neues Molekül identifiziert

Vielversprechender Antibiotikumkandidat entdeckt

16.05.2025
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Symbolbild

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Wien und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland hat mit Saarvienin A ein neuartiges Glykopeptid-Antibiotikum entdeckt. Die Ergebnisse, die jetzt in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht wurden, stellen einen Wirkstoff vor, der eine starke Wirkung gegen hochresistente Bakterienstämme zeigt.

Antibiotikaresistente Infektionen nehmen zu und drohen selbst häufige Krankheiten wieder tödlich zu machen. Ohne neue Antibiotika könnten laut Expert*innen bis 2050 jährlich bis zu 100 Millionen Menschen sterben. Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen haben Forscher*innen mehrerer Institutionen, darunter die Universität Wien und das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), sich der Erforschung von Actinobakterien zugewandt – Mikroorganismen, die dafür bekannt sind, in ungewöhnlichen Umgebungen zu leben und Antibiotika wie Vancomycin, Rifamycin und Chelocardin zu produzieren. Jaime Felipe Guerrero Garzón von der Abteilung für Pharmakognosie am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Wien entdeckte in Extrakten eines aus einer chinesischen Seltenerdmine isolierten Stamms von Amycolatopsis eine starke antibiotische Wirkung, die weitere Untersuchungen nach sich zog. Martin Zehl, Leiter des Massenspektrometriezentrums an der Universität Wien, fand heraus, dass diese antibiotische Wirkung mit einer potenziell neuartigen Verbindung aus der Klasse der Glykopeptide zusammenhängt. Mithilfe von Massenspektrometrie und Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) identifizierte das Team am HIPS ein völlig neues Molekül: Saarvienin A. 

Regeln brechen: Ein Glykopeptid mit einer Besonderheit

Die Besonderheit von Saarvienin A wurde schon früh deutlich: Im Gegensatz zu etablierten Glykopeptiden wie Vancomycin bindet der neue Wirkstoff nicht an das typische bakterielle Zielmolekül, das an der Zellwandsynthese beteiligt ist. Stattdessen wirkt er wahrscheinlich über einen anderen, noch ungeklärten Mechanismus. Die Strukturanalyse ergab eine charakteristische Architektur: einen halogenierten Peptidkern, der durch eine ungewöhnliche Ureidoverbindung zyklisiert ist und mit einer Kette aus fünf Zucker- und Aminozuckereinheiten verziert ist – zwei davon sind in Naturstoffen völlig neu. "Wir waren begeistert, dass Saarvienin A in keine bekannte Kategorie passt", sagte Jaime Felipe Guerrero. "Seine einzigartige Struktur könnte den Weg für Antibiotika ebnen, denen Bakterien noch nie begegnet sind."

Eine wirksame Waffe gegen resistente Bakterien

In enger Zusammenarbeit haben Forscher*innen des HIPS unter der Leitung des korrespondierenden Autors Rolf Müller die biologische Aktivität von Saarvienin A charakterisiert, benannt nach Saarbrücken und Vienna. Die Tests des neuen Moleküls gegen Bakterien konzentrierten sich insbesondere auf "ESKAPE-Erreger" – eine berüchtigte Gruppe von Superbakterien, die gegen die meisten gängigen Antibiotika resistent sind. Die Verbindung zeigte eine bemerkenswerte Wirksamkeit gegen Vancomycin-resistente Enterokokken und Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), darunter 3 ESKAPE-Erreger und 26 klinische Isolate. Es übertraf Vancomycin durchweg, selbst gegen Stämme, die bereits gegen mehrere andere Antibiotika resistent waren. "Die Entdeckung eines neuen Antibiotikums ist nur der Anfang", sagte der korrespondierende Autor Sergey B. Zotchev von der Universität Wien. "Jetzt stehen wir vor der faszinierenden Herausforderung, es zu einem für die klinische Anwendung geeigneten Wirkstoffkandidaten zu veredeln."

Nächste Schritte: Entwicklung für die klinische Anwendung

Nachdem die biosynthetischen Gene für Saarvienin A bereits identifiziert und kloniert wurden, plant das internationale Team, das Molekül mithilfe von medizinischer Chemie und Biosynthese zu optimieren. Ein wichtiges Ziel ist es, die Zytotoxizität zu reduzieren und gleichzeitig die antibakterielle Wirkung zu erhalten. Auch wenn noch Herausforderungen zu bewältigen sind, gibt die Entdeckung von Saarvienin A der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen den dringend benötigten Impuls – und unterstreicht das Potenzial unerschlossener natürlicher Ressourcen.

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